Wenn man Leute fragt, sagen sie einem oft, Juden gab es hier nicht!
Sie können sich doch sonst an alles erinnern, dass Opa im Ersten Weltkrieg das Eiserne Kreuz bekam, wie Oma in den 1920er Jahren keinen Tanzabend ausließ, es ihnen in der Nazizeit besser ging, Hitler hätte ja für Arbeit gesorgt. Und dass der Bruder gefallen war, daran waren nur die Russen Schuld...
Haben sie wirklich alles vergessen?
Es hat mich so gereizt, dass ich anfing zu suchen...
In den Orten, in denen Vorfahren lebten, in denen ich selbst lebte oder lebe und in der eigenen Familie!
Teilweise war ich erschüttert, manchmal musste ich aufhören, um mich selbst zu schützen, manchmal gab es aber auch Freude, wenn Menschen überlebt hatten, ihre Nachfahren jetzt in der ganzen Welt verstreut leben und wenn man ihnen gar helfen kann, die eigene Familiengeschichte zu erfahren.
Ich begann mit der Geschichte über Herthas Koffer (siehe unten).
Andere Geschichten sind noch in Arbeit...
Ich sammle alte Koffer.
Koffer erzählen immer eine Geschichte...
ich habe etliche im Keller, einer von 1906, es ist der Kinderkoffer unseres Urgroßvaters, dort hat er mit krakeliger Schrift seinen Namen reingeschrieben...
Der zweite ist vom Verlobten einer Großtante, diese ist vor einigen Jahren über 90jährig gestorben und hat erst auf dem Totenbett erzählt, warum sie nie
geheiratet hat.
Von ihrem Verlobten blieben ihr dieser Koffer und Knöpfe...
Der Verlobte wurde im Morgengrauen aus seiner Wohnung geholt und über den Bahnhof Grunewald nach Auschwitz deportiert...
Auf den nächsten beiden Seiten:
-Ottos Koffer
-Von Sacrow nach Theresienstadt
Alle Rechte Ingrid Biermann-Volke
2018